Die mächtige Heizung vor unserer Tür

Fluss Rhein bei Sankt Goarshausen und Sankt Goar mit Abendrot bei Hochwasser

Es ist kalt und der Winter noch nicht vorbei. Gas ist teuer und wird es bleiben. Wie soll das weitergehen?
Längst nicht alle können sich eine Wärmepumpe vor`s Haus stellen. Und das wird hoffentlich auch gar nicht nötig sein. Denn es gibt größere Lösungen, die vielen gleichzeitig und vor allem auch der Umwelt zugugte kommen. Hier am Rhein könnte das besonders effektiv und umweltfreundlich geschehen, denn der Rhein ist eine gigantische Heizung, die man anzapfen kann.

„Im Vergleich zur Umgebungsluft, wie sie von Wärmepumpen im häuslichen Bereich genutzt wird, besitzt Wasser eine etwa viermal höhere spezifische Wärmekapazität. Bei gleichem Massenstrom und gleicher Abkühlung kann eine Flusswärmepumpe somit eine viermal höhere Leistung erzielen.“
Markus Blesl, Universität Stuttgart, in: VDI, Wärme über die Flusswärmepumpe

Das klingt vielversprechend.

Aber ist schon bewiesen, dass es funktioniert?

Tatsächlich, ja. Als historischer Beweis gilt das Rathaus der Schweizer Hauptstadt Zürich. Es wird seit 1938 durch die Wärme aus der Limmat beheizt, wie die Neue Zürcher Zeitung stolz berichtet. 2001 wurde der Wärmepumpen-Oldtimer durch ein neueres Modell ersetzt. Inzwischen stehen solche Wasserwärmepumpen auch an einigen anderen Gewässern, vor allem in der Schweiz, aber auch zum Beispiel in Dänemark.

Die bisher größte Flusswasserwärmepumpe Deutschlands arbeitet in Mannheim und versorgt laut Betreiber MVV „rein rechnerisch rund 3.500 Haushalte“. Schon bald will man in Köln diesen Rekord brechen. Die Anlage, die dort 2027 in Betrieb gehen soll, ist bereits für 50.000 Haushalte ausgelegt.
Für unsere Orte dürften deutlich kleinere Anlagen ausreichen. Aber bisher habe ich noch nichts davon gehört, dass irgendwo im Oberen Mittelrheintal diese vielversprechende Technologie diskutiert würde.

Skizze von Flusswasser-Wärmepumpe an Einfamilienhaus. Quelle: EnBW
Grafik des Energieversorgers EnBW. Das Unternehmen baut in Kuppenheim an der Murg (BW) ein Nahwärmenetz mit Flusswasserwärme für ein neues Wohnquartier.

Der große Durchbruch steht noch aus

Der große Durchbruch dieser Technologie steht ganz offensichtlich noch aus. Dabei sind die wissenschaftlichen Ergebnisse zum Thema absolut verheißungsvoll. Nachlesbar beispielsweise in der Bachelor-Arbeit von Lukas Abel, TU Darmstadt, Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwisschenschaften.

Für Bayern gibt es eine Analyse des Potenzials von Wärmepumpen an Fließgewässern, die zu dem Ergebnis kommt, dass „bilanziell“, also rein rechnerisch, ganz Bayern und real rund ein Fünftel aller bayrischen Kommunen ihren Wärmebedarf durch Flusswärme decken könnten. Und die haben keinen Rhein.

Interessant ist noch der Blick auf die technische Seite. Lukas Abel beschreibt in seiner Bachelor-Arbeit zwei Systeme, das offene und das geschlossene. Im offenen System wird ein Teil des Flusswassers abgeleitet und in einem Becken durch Wärmetauscher und dann zurück in den Fluss geleitet. Im sogenannten  geschlossenen System liegen die Wärmetauscher im Fluss selbst, was den Vorteil hat, dass der bauliche Aufwand an Land geringer ist. Allerdings besteht die Herausforderung darin, die Wärmetauscher im Fluss vor Beschädigung und Verunreinigung zu schützen. Sehr detailliert und mit vielen Abbildungen sind die unterschiedlichen Systeme in einer Masterarbeit von 2012 an der Uni Freiburg beschrieben.

Tausche Wärme gegen Kälte

Und wie wirkt sich die Wärmepumpe auf den Fluss aus?
Es wird kaum überraschen: Die Entnahme von Wärme kühlt das Gewässer ab. Für sehr kleine Flüsse kann das im Winter zum Problem werden. Für den Rhein aber wäre es vorteilhaft, denn er ist durch den Klimawandel und die Einleitung von Kühlwasser großer Industrien und Krafwerke schon zu warm geworden. Kälteres Wasser kann mehr Sauerstoff binden, und den brauchen die Lebewesen in Flüssen und Meeren. Flusswasserwärmepumpen hätte also ökologisch in mehrfacher Hinsicht Vorteile. Auch wenn jede Baumaßnahme am und im Fluss das Wasserleben beeinträchtigt. Und natürlich bedarf es wasserrechtlicher Genehmigungen.

Was man noch dazu braucht

Strom natürlich, für die Wärmepumpe, und ein Leitungsnetz, das die Wärme in die Häuser bringt. Da das Nahwärmenetz idealerweise das Gas als Energieträger überflüssig machen soll, kann man vielleicht die Gasleitungstrassen nutzen.

Wer soll das machen?

Die Kommunen müssen im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort ermitteln und ein Konzept für die Wärmewende, also für die Umstellung auf Erneuerbare, erstellen. Die Idee ist, dass Wärmenetze wie man sie schon vom Prinzip der Fernwärme kennt, die Wärme aus externen – künftig aber nachhaltigen – Quellen in die Häuser verteilen. Das sollte zumindest da geschehen, wo keine individuellen Lösungen, wie etwa eine Luft- oder Erdwärmepumpe, möglich sind. Besonders für kleine Kommunen ist das eine große Herausforderung. Das Land RLP verspricht zu unterstützen. Und weil die Werbung dafür so herzerwärmend ist, hier ein schönes Beispiel im Bewegtbild vom SWR. Es geht darin nicht um Flusswärme, sondern um ein kleines kommunales Nahwärmenetz.

Viele Gemeinden haben inzwischen mit der Wärmplanung begonnen oder Planungsbüros damit beauftragt. Aber hat dort irgendwer dort das Potenzial von Flusswärme auf dem Schirm? Welcher Ort im Mittelrheintal wird die große Heizung anzapfen?

 

Wie ich auf dieses Thema komme

Es ist mein altes aber immer noch fideles Steckenpferd. 2012 habe ich für die Landesschau RP (SWR) eine Fernseh-Beitragsserie unter dem Titel „Wärme mit Zukunft“ produziert. Fünf Beiträge, die jeweils ein Privathaus mit innovativem Heizkonzept vorstellte. Am meisten hat mich damals ein junges Paar fasziniert, das sein nicht ganz kleines Einfamilienhaus im Hunsrück mit Flächengeothermie ausgestattet hatte. Die beiden hatten mithilfe eines Minibaggers Erdwärmekollektoren – im Grunde genommen waren es simple Kunststoffrohre – rund anderthalb Meter tief unter dem Rasen verlegt und mit der entsprechenden Wärmepumpe verbunden. Na gut, der Familienvater war Maschinenbau-Ingenieur. Aber das Ganze war so simpel und überzeugend, dass ich es am liebsten nachgemacht hätte.
Im folgenden Jahr wurde ich von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz in die Jury zum Architekturpreis Energie berufen und habe im Auftrag der Kammer über 14 der Projekte im Wettbewerb ein Buch geschrieben. Ich bin also wirklich in das Thema eingetaucht, und es begeistert mich noch immer.