Sankt Goarshausen

Gefühle für Häuser

Altes kleines Haus Sankt Goarshausen, Rheinstraße 22 mit geschlossenen Fensterläden, von denen die Farbe abblättert. Fassade des Nachbarhauses ebenfalls in schlechtem Zustand

Sankt Goarshausen, Rheinstraße 22

Das Haus Rheinstraße 22 spricht in besorgniserregender Weise meinen Beschützerinstinkt an. Die Natur hat diesen Instinkt installiert, damit schutzlose kleine Wesen von größeren, stärkeren beschützt, gepflegt, gefüttert und umsorgt werden. Aber Achtung: das gilt normalerweise für Lebewesen, nicht für Bauwerke. Warum rührt mich das Häuschen trotzdem so sehr? – Wahrscheinlich, weil es zierlich und fragil wirkt. An der Farbe (Rosa) dürfte es nicht liegen, aber wer weiß …

Kleines Häuschen, kleines Rätsel

Und was ist nun mit diesem Häuschen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist nicht das Haus, das ich gerade zu kaufen beabsichtige. Es steht aber in derselben Straße, nur ein paar Häuser weiter. Es wird also bald zu meiner Nachbarschaft zählen. Auch deshalb interessiert mich sein Schicksal.
Es ist eins der wenigen Häuser in dieser Reihe, das nicht irgendwann im Lauf der vergangenen Jahrzehnte komplett umgebaut worden ist. Man sieht allerdings, dass der untere rechte Teil vermutlich in den Siebzigerjahren „modernisiert“ wurde. Die ursprüngliche Fensterform des stehenden Rechtecks wurde durchbrochen und durch ein größeres, liegendes Rechteck ersetzt. Das erscheint vernünftig, aber unter ästhetischen Gesichtspunkten bedauerlich. Die Kleinteiligkeit der Fenster, die zierliche kleine Gaube, die fragil wirkende Dacheindeckung aus Schiefer, all das wurde von unseren Vorfahren nicht gewählt, weil es „entzückend“ oder „niedlich“ wirkt, sondern weil Material knapp war, große Glasscheiben nicht hergestellt werden konnten, man das verbaute, was vor Ort vorhanden war (z.B. Schiefer).

In den Siebzigern klotzte man dann umstandslos ein paar Glasbausteine in die Fassade.
Seidem scheint nicht viel geschehen zu sein mit dem Haus.
Natürlich würde ich das Haus gern kaufen und wiederherstellen („retten“). Ob es zum Verkauf steht, weiß ich nicht. Das wäre allerdings erstens naheliegend und zweitens vermutlich leicht herauszufinden. Was also hält mich ab?
Meine Wahl ist auf ein anderes Haus gefallen, das leichter an den heutigen Standard anzupassen ist. Die Probleme des Häuschens Rheinstraße 22 per Ferndiagnose und ohne Innenbesichtigung:

  • Die Nachbarbebauung. Ein baufälliges Haus kann man retten, aber wenn das angebaute Nachbarhaus ebenfalls schadhaft ist, kann das die Probleme potenzieren.
  • Feuchtigkeit von unten: Das Haus liegt keine 10 Meter vom Rheinufer entfernt. Mit Sicherheit kommt der Rhein gelegentlich in den Keller. Allerdings sind keine Kellerluken erkennbar, die das Trocken des Kellers nach dem Hochwasser beschleunigen würden. Dasselbe Problem beim Nachbarhaus. Dass der Putz großflächig abgeplatz ist, lässt darauf schließen, dass das Mauerwerk nass ist.
  • Vermutlich geringe Raumhöhe. Das ist eins der größten Probleme alter Häuser. Wir Menschen heute sind im Durchschnitt um etliche Zentimeter größer als die Menschen vor hundert, zweihundert Jahren. Die alten Häuser passen uns nicht mehr.
  • Keine Wärmedämmung. Die zierlichen Fensterrahmen aus Holz, das Dach, das dünn und elegant ausschaut, all das kommt teuer, wenn es man im Innern warm – bzw. im Sommer kühl – haben will. Die minimalistische Gebäudehülle begeistert allenfalls das Auge. Ein behagliches Raumklima lässt sich aber nur mit besserer Dämmung erreichen, und die würde ziemlich sicher Zugeständnisse bei der Ästhetik kosten.

Retten!

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: All diese Probleme würden mich nicht schrecken. Wenn ich genügend Geld hätte, würde ich das Häuschen kaufen und sanieren.

Lageplan des Grundstücks Rheinstraße 22, Sankt Goarshausen. Quelle: geoportal.rlp.de

Quelle: geoportal.rlp.de